Fahne wieder aufgetaucht

Schon lange bin ich auf der Suche nach den Hinterlassenschaften des Radfahrervereins Badenia aus Eschelbronn. Es mussten sich in der aktiven Zeit dieses Vereines (1902 – ca. Mitte der 30iger Jahre) einige Utensilien angesammelt haben. Wie auf den alten Fotos ersichtlich ist, gab es nicht nur ein spezielles Radfahrer-Montur, sondern auch andere wichtige Dinge wie Fanfaren, Pokale, Orden und Schärpen.

Insbesondere sticht natürlich bei einigen Bildern die Standarte / Fahne heraus.

Ich war mir ziemlich sicher, dass solch ein Objekt nicht einfach verschwindet bzw. weggeworfen wurde. Nach vielen Gesprächen mit meinem Vater nahm dieser Kontakt mit der Familie Horst Dinkel auf. Christel Dinkel ist die Tochter von Ludwig Arnold, der genau wie mein Großvater Karl Schifferdecker Mitglied des Radfahrer-Vereins war.

In den Hinterlassenschaften von Ludwig Dinkel befand sich dann tatsächlich auch noch die Fahne, sowie einige Pokale, Schärpen und Fanfaren.

Christel Dinkel brachte dieses Erbe des Radfahrervereins dann 2018 ins Museum.

An Kerwe 2019 wurde mit einem kleinen Fest offiziell diese Fahne und die dazugehörigen Utensilien der Öffentlichkeit präsentiert. Zu diesem Anlass habe ich noch zur passenden „Umrandung“ der Standarte ein Damenrad aus den 30er Jahren gestiftet.

Museumsensemble
Museumsensemble
Gruppenbild
Gruppenbild mit Stifter

Ich bedanke mich herzlich bei allen, die zu diesem Event beigetragen haben, insbesondere der Familie Dinkel für die Überlassung der historischen Objekte.

Euer Presto-Peter

„Badenia“ 1902 Eschelbronn

Radfahrverein1920erRadfahrverein „Badenia Eschelbronn“

Ein fast vergessenes Stück Vereinsgeschichte

Im Jahre 1902 wurde der Radfahrverein „Badenia Eschelbronn“ gegründet. Die Straßen waren geschottert und nicht wie heute geteert. In Daisbach, Neidenstein, Sinsheim, Waibstadt und vielen weiteren Kraichgaugemeinden gab es Radsportvereine. Erster bekannter Vorstand der Badenia war der Schlossermeister Georg Krauth. Ersatzteile wurden von seiner mechanischen Werkstätte und Eisenhandlung am Markplatz bezogen.

Am 05. Juni 1910 nahmen die Eschelbronner Radler an einem Straßenrennen in Sinsheim teil. Die Strecke war 30 km lang und führte über Sinsheim – Waibstadt – Meckesheim zurück nach Sinsheim. Der schnellste Fahrer legte die Strecke in 56,18 Minuten zurück. Beim offenen Rennen belegte Stier den 3. Platz mit Ehrenpreis und Streib den 4. Platz mit Diplom. Die Vornamen gehen leider aus dem Zeitungsbericht des Landboten nicht hervor. Am Sonntag, 14. August 1910, fuhr man zum Stiftungsfest des Radfahrvereins Walldorf. Es war ein sehr erfolgreicher Tag für die Eschelbronner Radler. Sie erhielten den 1. Weitpreis für die längste Anfahrt und den 3. Platz im Korsofahren. Unter Korsofahren versteht man die Teilnahme an einem Festzug mit Blumen und Girlanden geschmückten Fahrrädern. 1911 beteiligte sich die „Badenia“ am Festumzug des Militärvereins Eschelbronn. Der Radfahrverein führte zusammen mit der Musikkapelle Waibstadt den Umzug an.

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Aus dem Jahre 1914 ist noch ein Bild von der Fahnenweihe im Kreisarchiv in Ladenburg vorhanden. Es wurde im Wiesental zwischen Eschelbronn und Neidenstein aufgenommen. Die Festdamen hatten damals die Fahne für den Verein gestiftet. Aus Anlass der Fahnenweihe (Bannerweihe) stellten sich die Mitglieder und Festdamen zu einem Erinnerungsfoto auf. Man kann die Radmontur mit der Kappe gut erkennen. Die Radler trugen ein gelbes Oberteil, schwarze Kniebundhosen und eine Schärpe in den badischen Farben. Die Kappen waren grün und sehr flach. Die Fahne war an einem Halter befestigt auf dessen Spitze sich ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln befand. Der Verbleib der Fahne ist unbekannt. Die „Badenia“ gewann am 15. Mai 1914 den ersten Platz im Preiskorsofahren in Roth. Am 07. Juni 1914 veranstaltete die Badenia ein Preiskorsofahren in Eschelbronn. Daran nahmen viele umliegende Radfahrvereine teil. Sinsheim belegte in der Klasse A den zweiten Rang und erhielt als Ehrenpreis ein silbernes Trinkhorn. In der Klasse B belegte die „Eintracht“ aus Hasselbach den ersten Platz. Wie damals im Landboten zu lesen war, muss die Konkurrenz sehr stark gewesen sein.

Damenbild 11_2

 

Der erste Weltkrieg konnte die Vereinstätigkeit nach 1918 nicht stoppen. Neue Mitglieder traten ein. Folgende aktive Radfahrer sind aus dieser Zeit bekannt: Adam Arnold (1945 gefallen), Ludwig Arnold, Adam Butschbacher, Wilhelm Butschbacher, August Grab, Georg Grab, Otto Grab, Georg Krauth, Konrad Pfister (1942 gefallen), Adam Reichert, Philipp Rößler, Karl Schifferdecker, Georg Stier, Philipp Stier (genannt Lorenz), Julius Streib, Johann Wagner (genannt: Bier-Hannes) und Wilhelm Wolf. Ein Bild aus den 1920er Jahren ist heute noch erhalten. Es wurde nach einer erfolgreichen Teilnahme an einer Radveranstaltung aufgenommen. Walter Windisch kann sich erinnern, dass damals gelbe Räder vom Fahrrad-Haus Carl Baer in Sinsheim gekauft wurden. Im September 1921 war Glockenweihe in Eschelbronn. Im evangelischen Gemeindeboten für den Bezirk Sinsheim schrieb Pfarrer Otto Friedrich Hessig über dieses Ereignis und erwähnte, dass die Mitglieder des Radfahrvereins mit gelbroten Schärpen und geschmückten Fahrrädern am Umzug teilnahmen. EschelbronnGlockenumzug1921

Als Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt wurde, fand im Mai 1925 ein Fackelzug statt, an dem der Radfahrverein auch teilnahm. Am 05. Juli 1925 feierte man in Daisbach das Stiftungsfest mit Bannerweihe des Radfahrvereins „Einigkeit“. Es ist belegt, dass 44 Radfahrer aus Eschelbronn am Korsofahren teilnahmen. 30,00 Mark mussten als Startgeld bezahlt werden. Damit stellte man hinter Waibstadt mit über 80 Fahrern die zweitgrößte Mannschaft. Insgesamt nahmen 15 Vereine teil.

1927 feierte man drei Tage das 25-jährige Bestehen. Am 14. Mai 1927 wurde die Veranstaltung mit einem Fackelzug durch die Ortsstraßen und einem Festbankett eröffnet. Am Sonntagmorgen hielt Pfarrer Arthur Beck den Festgottesdienst. 22 auswärtige Radfahrvereine mit mehr als 500 Fahrern folgten der Einladung. Am Nachmittag fand ein 2 km langer Umzug statt. Am Festplatz empfing der 1. Vorsitzende, Glasermeister Adam Reichert, die Gäste. Die Festdame Bertha Wolf überreichte ihm eine Bannerschleife (Fahnenschleife). Die Schleife in den gelbroten Vereinsfarben ist heute noch vorhanden. Sie trägt folgende Aufschrift: Zur Erinnerung an das 25. Stiftungsfest vom 14. – 16. Mai 1927 / Radfahrverein Badenia Eschelbronn. Buchdruckereibesitzer Adolf Hotop hielt anschließend die Festrede. Es fand auch ein Preisfahren statt. Beim Korso-, Reigen- und Langsamfahren konnten die Teilnehmer wertvolle Preise erringen.Wimpel1927

Die sonntäglichen Ausfahrten führten in die nähere und weitere Umgebung. Die Radler kamen durch Ortschaften, die sie vorher noch nie gesehen hatten. Viele Mitglieder erinnerten sich später an die schönen und geselligen Ausfahrten.

Helmut Schifferdecker besitzt ein kleines Signalhorn seines Vaters Karl Schifferdecker. Damit die gesamte Gruppe bei Pannen zusammenblieb, benötigte man das Signalhorn. Es ist über 80 Jahre alt, aus Messing und ähnelt einer kleinen Trompete. Der Ton kann durch ein Ventil variiert werden. Eine Ausfahrt führte nach Eberbach. Auf der kurvenreichen Abfahrt von Neunkirchen nach Eberbach ereignete sich ein schlimmer Unfall. Philipp Stier, genannt Lorenz, verlor wegen zu hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrrad und fuhr den abhängigen Wald hinunter. Er landete an einem Baum, sein Fahrrad war defekt und er wurde ins Krankenhaus nach Eberbach eingeliefert.

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Im Gemeindearchiv befindet sich ein Brief vom Bezirksamt Sinsheim vom 08. Dezember 1933. Alle Radfahrvereine sollten in den Deutschen Radfahrverband (DRV) eingegliedert werden. Die Gemeinde wurde gebeten, die Vereinsangaben mitzuteilen (Name, Vorstand, Anschrift). Aus diesem Schreiben geht hervor, dass Adam Reichert noch Vorsitzender war. Kurze Zeit später löste man den Verein auf. Nach Aufhebung des Vereinsverbotes 1946 wurde der Radfahrverein „Badenia Eschelbronn“ nicht mehr neu gegründet und ein Stück Vereinsgeschichte ging damit verloren.

Brosche Radverein 1

Krauth Klingel

Marius Golgath, Badenia Eschelbronn: Ein fast vergessenes Stück Vereinsgeschichte, in: Heimatblatt Howwl, Nr. 30 (2008), S. 50-53

Quellen:

  • Ortschronik Eschelbronn – Deine Heimat / 1957
  • Evangelischer Gemeindebote für den Kirchenbezirk Sinsheim/ Jahrgang 1921
  • Auskunft: Wilfried Wolf (15.09.2007), Helmut Schifferdecker (20.12.2007), Erich Butschbacher und Walter Windisch (Januar 2008)
  • Stadtarchiv Sinsheim (Sinsheimer Landbote)
  • Gemeindearchiv Eschelbronn
  • Kreisarchiv Ladenburg